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21.09.05 Bleuler/Kern (eds.), Poesie des Widerstreits

21.09.05 Bleuler/Kern (eds.), Poesie des Widerstreits


Im vorliegenden Band sind die Beiträge zweier Tagungen zum Programmbereich Kunstpolemik--Polemikkunst in Salzburg (15. bis 17. Oktober 2015 und 30. Juni bis 2. Juli 2016) zusammengefasst. Dominantes Thema der Aufsatzsammlung ist poetischer Widerstreit, der in seiner ganzen Breite aufgefächert und entfaltet wird. Die dabei entstehende Polemik wird als "eine literarisch-poetische Verfahrensweise bzw. Methode der intertextuellen Auseinandersetzung" (5) verstanden, die auf "Gegnerschaft, Kritik, Streit und Herabsetzung zielt," um den "Gegner zu degradieren und auf diese Weise Macht über ihn zu demonstrieren" (6).

Widerstreit, verstanden als Agonalität, findet sowohl diachron als auch synchron statt, d. h. unter Autoren, die in einer historischen Reihe stehen, und denen, die einer bestimmten Epoche angehören. Polemik dient zur poetischen Selbstbehauptung, um sich einerseits von der Vorgängergeneration abzusetzen und andererseits zeitgenössische Konkurrenten abzuwehren. Analysiert wird Widerstreit von weltlichen und geistlichen Diskursen, oder lyrischen und epischen, so wie in Schreibweisen und Gattungen als auch im Œuvre einzelner Autoren, die in ihren Werken eine Art Autopolemik betreiben. Weiterhin werden Strategien der Etablierung und der Polemik im Zusammenhang mit Namensnennung herausgearbeitet sowie Formen des Widerstreits auf der Ebene der Sujets und des Erzählens selbst, ein Widerstreit, der auch über Figuren ausgetragen werden kann. Auf der Metaebene schließlich geht es um polemische Konstellationen in der Wissenschaft.

Angesichts der Vielfalt agonalen Sprechens war es für die Herausgeber nicht einfach, die Beiträge in stringenter Abfolge anzuordnen, denn gelegentlich überlappen sich die Diskurse und synchron stattfindende Auseinandersetzungen lassen sich nicht ohne Rückgriff auf historische Entwicklungen verstehen. Trotz dieser Schwierigkeiten ist die Struktur des Buches einigermaßen übersichtlich: Es lassen sich sechs Themenkomplexe identifizieren: (1) synchrone Polemik; (2) diachrone Polemik; (3) verdeckte Parodie und Polemik; (4) aemulatio als Polemik; (5) affektive und moralisierende Polemik; (6) Parodie als (Auto)-Polemik.

Den Auftakt bilden drei Aufsätze, die Polemik als Konflikt des Ichs zwischen weltlichem Frauen- und religiösem Gottesdienst (Bleuler), zwischen Spielleuten und den klassisch gebildeten Verfassern der chansons de geste (Burrichter), und zwischen Vertretern von korrekten und falschen ethischen Normen (Friede) synchron behandeln.

Ausgehend von den Liedern Friedrichs von Hausen entwickelt Anna Kathrin Bleuler eine neue Textreihe (bestehend aus 18 Texten), die das lyrische Ich im Konflikt zwischen Minne- und Gottesdienst positionieren. Dieser fundamentale Konflikt kann auf unterschiedliche Weise gelöst werden: endgültige Absage an die Frauen und ganzheitliche Hinwendung zu Gott (Hartmann); Überwindung der Unvereinbarkeit der beiden Haltungen, indem der Gottesdienst, die Kreuzzugsteilnahme, als Dienst an der Dame ausgelegt wird (Otto von Botenlauben); und Absage an den Gottes- und Hinwendung zum Frauendienst (Reinmar der Alte) (38).

Brigitte Burrichter widmet sich dem Thema der Spielmannsschelte in den Prologen von chansons de geste, deren Autoren damit vollkommen aus der Mündlichkeit heraustreten und sich zur Autorisierung ihrer Erzählungen auf schriftliche Quellen berufen. Die Polemik der gebildeten Dichter richtet sich gegen das mangelnde Wissen und Können der Spielleute, ihre finanzielle Abhängigkeit von ihrem Publikum, und aus moralischer Sicht, gegen ihre Lügengeschichten (51).

Susanne Friede untersucht die narrativen Strategien der Polemik in französischen Texten von 1175 bis 1185. Im Mittelpunkt ihrer Untersuchung steht zunächst der Tristanstoff, dessen Liebeskonzept zum Anlass einer polemischen Auseinandersetzung wurde, weil die Liebe künstlich (durch den Liebestrank) und nicht auf natürliche Weise über die Augen erzeugt wurde "und auch nicht durch die Gegenliebe oder die pité 'erfolgreich'war" (59). Diese Polemik wurde anschließend auch im Roman de Renart aufgegriffen und in ein parodistisches Verfahren umgewandelt: die höfische Liebe wird parodiert, womit sich "die Parodie als Schwundstufe der Polemik erweist" und nicht umgekehrt (64).

Der zweite Teil des Beitrags ist der Untersuchung dreier Texte aus dem umkämpften Jahrzehnt gewidmet: Chrétiens Perceval, Partonopeu de Blois, und dem Roman d'Alexandre des Alexander von Paris. Im Mittelpunkt der Textanalyse steht die polemisch geführte Auseinandersetzung um das Alleinstellungsmerkmal der christlichen Eigenschaften und Verhaltensnormen der sich entwickelnden Eliten und deren Abgrenzung von nicht-adligen Parvenus. Selbstvergewisserung einer bestimmten Gruppe wird vor allem invektivisch erreicht (70).

Eine zweite Gruppe behandelt das Thema Polemik diachron: als Konflikt zwischen Latein und Volkssprache, vor allem in Bezug auf Bibelübersetzungen (Hammer), die Modernen-Debatte in den mittellateinischen Poetiken des 12. und 13. Jahrhunderts vor dem Hintergrund der klassischen Poetiken (James-Raoul), und die poetische Etablierung durch Nennung des eigenen Namen, um sich von Vorgängern abzusetzen (Kern).

In seinem Beitrag "Polemiken zu einer 'Glaubensfrage' in der geistlichen Literatur..." beleuchtet Andreas Hammer zunächst Otfrids Einstellung zur Volksprache. Die Etablierung des Deutschen bzw. des Fränkischen als Schriftsprache steht im klaren Gegensatz zur Verwendung der Volkssprache für den mündlichen Vortrag weltlicher Lieder. Darin folgt er übrigens der Einschätzung Alkuins eine Generation vor ihm, der in einem Brief die Mönche von Lindisfarne, die sich offensichtlich am Vortrag von Heldenliedern erfreuten, fragt: Quid Hinieldus cum Christo? Die Antwort ist nichts, denn Ingeld war Heide und somit ist die Rezitation seiner Taten im Kloster fehl am Platz. Polemisiert wird also auch hier nicht gegen die Volkssprache, sondern gegen weltliche Lieder.

Selbst Luther muss die Volkssprache nicht mehr verteidigen. Seine Bibelübersetzung, die auf dem hebräischen und griechischen Urtext beruht, ist nur in dem Sinn polemisch, dass er damit die Vulgata als verbindlichen Text quasi abschafft und so auch die Autorität der römischen Kirche insgesamt infrage stellt.

In ihrem Aufsatz zur Moderne-Debatte in den mittellateinischen Poetiken des 12. und 13. Jahrhunderts befasst sich Danièle James-Raoul mit drei Gesichtspunkten: der Identifizierung der Vorbilder durch die Grammatiklehrer, die für das Wissen um den richtigen Gebrauch einer literarischen Schreibweise erforderlich sind; deren Betonung der novitas, um sich von den antiken Vorgängern abzuheben, wenn sie als moderni auftreten; und den unterschiedlichen Praktiken des Schreibens, abgestimmt auf die Erwartungen des zeitgenössischen Publikums (100). James-Raoul kommt zu dem Schluss, dass die Tradition bewahrt wird, weil sie die Lektüre der Alten ermöglicht, auch wenn sie nicht mehr als Richtschnur moderner Schreibweise taugt.

In seiner Studie "Nomen indelebile nostrum. Poetische Etablierung im Wettstreit der Namen" definiert Manfred Klein Onymität als provokante Signatur und eine "Art persönliche Usurpation jener Tradition, auf der er immer schon aufruht" (115). In diesem Kontext werden Namensnennungen bei Chrétien, Hartmann, und Wolfram untersucht. Wolfram unterscheide sich von seinen Vorgängern durch seine Autorsignatur in Ich-Form. Gegen die Polemik belesener Mittelbarkeit bei Hartmann, die in der dritten Person beglaubigt wird, setze Wolfram eine Poetik vorgeblich illiterater Unmittelbarkeit, wofür der Autorname in der ersten Person stehe. "Unmittelbarkeit bedeutet dabei Widerspruch, Agonalität, polemische Entzweiung" (139).

Die nächsten beiden Aufsätze (Gruppe 3) befassen sich mit verdeckter Parodie und Polemik im Minnesang (Klein) und offener Parodie in den deutschsprachigen Paternoster-Parodien aus dem 14. und 15. Jahrhundert (Kössinger).

Dorothea Klein untersucht Doppelzuschreibungen von Liedern anhand von Morungen MF 145,33 ff. und von Hartmann MF 214, 34 ff./L 217, I ff., die beide Strophen enthalten, die Walter zugeschrieben werden müssten, der das Mittel der Parodie und Polemik "zur Bekräftigung eigener Positionen und literarischer Identität" nutzte (170).

Norbert Kössinger beschäftigt sich mit parodistischen Verfahren in den deutschsprachigen Paternoster-Parodien aus dem 14. und 15. Jahrhundert. Untersucht werden die Paternoster-Parodie zusammen mit der Ave Maria-Parodie, Des Buben Paternoster, Der Spunziererin Gebetund Des Wucherers Paternoster. In allen Parodien bleibt der Wortlaut des Paternoster-Texts unangetastet. Die Neu-Kontextualisierung und Neu-Funktionalisierung zeige vielmehr eine Nähe zu den Diskursfeldern Liebe/Sexualität, Trunksucht und Geld. Polemische Untertöne richten sich gegen das "'automatisierte' Herunterleiern des Gebetstextes sowie gegen Ablenkungen vom andächtigen Sprechen des Gebets" (191).

Die Aufsätze von Kuon und Malzacher (Gruppe 4) untersuchen die aemulatio bei Petrarca und den stilnuovo bei Dante und Petrarca, vor allem unter dem Aspekt der elitären Selbstpositionierung, die erwartungsgemäß zu einer polemischen Auseinandersetzung mit dem Vorgänger führt.

Peter Kuons Aufsatz analysiert aemulatio bei Petrarca und Dante. Gelungene poetische Nachahmung diene dazu, den Hörer oder Leser zu verunsichern, d. h. also offensichtliche Anlehnungen oder wortwörtliche Übernahmen zu vermeiden. Ähnlichkeiten sind zwar beabsichtigt, werden aber verschleiert. Unter Beibehaltung ähnlicher Strukturen lassen sich mit dieser Taktik Umdeutungen erzielen. So werde der Canzoniere zum Gegenmodell von Dantes Commedia, also keine Erlösungsgeschichte, sondern nur eine von vielen Möglichkeiten, Liebesgedichte zu schreiben. Dantes Begegnung mit Arnaut im Purgatorio diene dazu, die Problematik höfischer Liebesdichtung zu verdeutlichen und im Rückgriff auf die Francesca-Episode "veredelte Liebeskonzeptionen der Literatur als folor...zu verwerfen" (207).

Alice Malzachers Beitrag geht in eine ähnliche Richtung. Auch hier wird das komplexe Verhältnis Petrarcas zu seinem großen Vorgänger Dante thematisiert. Aus der Kanzone Donne ch'avete intelletto d'amore extrahiert Malzacher die drei Regeln des dolce stil nuovo: (1) der Dichter spricht nicht mehr von sich selbst; (2) der Dichter redet die Geliebte nicht mehr direkt an; und (3) ausschließlicher Gegenstand der Liebesdichtung ist das Lob der Geliebten. Diese Entwicklung "von der 'poesia-comunicazione' zur 'poesia-celebrazione'" führe zur "Objektivierung der Dichtung, welche mit einer notwendigen Entsubjektivierung einhergeht" (211). Dieses System steht in starkem Kontrast zur Lyrik Petrarcas, welche dem Subjektiven aufs äußerste verhaftet bleibt sowie dem Irdischen und der unmittelbaren direkten Kommunikation mit der Geliebten.

Die Abfolge zweier Aufsätze (Gruppe 5) ist nicht unbedingt zwingend. Den Entwurf einer Grammatik der Emotionen im dichterischen Wettstreit der Troubadours (Oriol) hätte man auch der ersten Gruppe zuordnen können. Mit seiner Betonung ethischer Werte, die ihren Ausdruck in widerstreitender Dialogizität findet, ist der Aufsatz jedoch auch eine Überleitung zum Beitrag von Raumann, die die Klischees bei der Betrachtung französisch-deutscher Literaturbeziehungen unter moralischen Gesichtspunkten kritisch beleuchtet.

Guillaume Oriol untersucht die Bedeutung der Affekte in der rhetorischen Gestaltung der Trobadourlyrik (tenson und partimen). Als Beispiel wählt er die Debatte zwischen Raimbaut d'Aurenga, der den Reiz und die Schönheit des trobar clus preist, und Guiraut de Bornelh, der als Advokat des trobar leu auftritt. Im Zentrum der Analyse stehe die joy als Hauptthema sowohl einer Ethik der Liebesbeziehung als auch als Ausdruck des dichterischen Vergnügens am Schreiben. Rhetorik und Konzeptionen einer Psychologie der Affekte verbinden sich also. Das zweite Beispiel, der Wettstreit zwischen Giraut de Bornelh und Alphons II. von Aragon, thematisiere Theorie und Praxis der höfischen Erotik. Der König verkörpere die reale Aristokratie, der Dichter die des Herzens. Vor allem in den Partien von Giraut drücke sich dessen innere Zerrissenheit aus und das dialogische Verfahren seiner Argumentation ziele darauf, "den Tumult des Innenlebens unmittelbar wiederzugeben" (238). Das dritte Beispiel, ein partimen zwischen Aimeric de Perguilhan und Albertet de Sisteron zum Thema qui res non es (was es nicht gibt), liest Oriol als "eine metapoetische Reflexion über den mündlichen Wettstreit der Troubadours...einem Spiel, das letztlich wie zum Vergnügen seine eigenen Regeln aufstellt" (245).

Drei Gesichtspunkte bestimmen Rachel Raumanns Untersuchung zu literaturwissenschaftlichen Klischees: (1) die Argumente mittels derer die deutschen Bearbeiter altfranzösischer Vorlagen als lehrhafte Moralisierer ausgewiesen werden; (2) die Überprüfung dieser Thesen anhand von ausgewählten Beispielen aus Hartmanns Erec und Iwein; und (3) die Frage nach dem Ursprung dieser Klischees. Ihr Befund fällt negativ aus: Hartmann tilge regelmäßig lehrhaft-moralisierende Erzähler- bzw. Figurenbemerkungen, d. h. die ihm unterstellte Tendenz zur (Moral)-Didaxe sei nicht nachweisbar.

Die abschließenden vier Aufsätze, mit Ausnahme dessen von Terrahe, der von seiner Thematik, der Dekonstruktion des âventiure-Ritters, ebenfalls eher zur ersten Gruppe gehört, behandeln parodistische Verfahrensweisen. Kunstvolles poetisches Scheitern wird von Chaucer im Tale of Sir Thopas inszeniert (Schäfer). Verdeckte parodistisch-polemische Auseinandersetzungen mit verschiedenen lateinischen und deutschsprachigen Vorgängertraditionen konstatiert Schneider in seiner Analyse des Weinschwelgs. Wolfzettel schließlich interpretiert Boccaccios Corbaccio als Absage des Autors an sein eigenes Werk, d. h. als revocatio der eigenen dichterischen Vergangenheit, und somit als eine Art Autopolemik.

Ursula Schäfer untersucht Chaucers Tale of Sir Thopas vor dem vom Dichter evozierten Erwartungshorizont in den Canterbury Tales. Diese Schweifreimromanze, die alle Defekte der Gattung aufweist und sich von ihrer Struktur her selbst dekonstruiert, wie John Burrow schon vor langer Zeit dargelegt hat, sei nicht nur eine "perfekte Normenerfüllung," sondern mache damit auch sinnfällig, was Chaucers eigene Kunst--außerhalb dieser Romanze leiste (296). Ein ähnliches Verfahren hatte Chaucer übrigens bereits in der unvermittelt abgebrochenen Vision The House of Fame (einer Himmelsreise) benutzt. Auch dort verwendet der Dichter das Mittel der Autopolemik, um in diesem Fall die Visionsliteratur zu parodieren und sich vom Streben nach dichterischem Ruhm und Anerkennung durch die Nachwelt zu distanzieren.

Der Weinschwelg, bestehend aus Trinkerrede und Erzählerkommentaren, wird von Martin Schneider als parodistische Auseinandersetzung mit der lateinischen Vagantenlyrik, dem deutschen Minnesang und vor allem mit dem Sangspruch interpretiert. Besonders die "Verknüpfung von Wissen, Können (hier: virtuosem Trinken) und Meisterschaft weist nicht nur auf den Minnesang hin, sondern auf die verwandte lyrische Gattung des Sangspruchs" (309). Diese Parodie epischer und lyrischer Dichtung erschaffe eine neue Figur, "die des omnipotenten Trinkers" (318), der am Ende durch die Einverleibung des Weins dessen Kräfte als Gebieter der Menschen erlangt.

Tina Terrahe untersucht die Polemik des Widerstreits innerliterarisch an der Figurendarstellung bei Hartmann und Wolfram. Das Hauptaugenmerk richtet sich auf den literarischen Antagonismus zwischen Gawan und Parzival. Ihrer Ansicht nach überspitzt Wolfram systematisch den Typus desâventiure-Ritters und "übertreibt die Absurdität dieser Lebensform dermaßen, dass er teils komisch, teils aber auch tiefdramatisch die Unmöglichkeit dieser (vielleicht ohnehin nur literarisch phantasierten) ritterlichen Existenz vorführt" (320). Wolfram stelle diesem Streiter mit dem denkenden Diplomaten Gawan ein alternatives Ritter-Konzept entgegen. Die traditionelle Konfliktlösung durch Kampf auf Leben und Tod werde nun durch überlegtes Handeln erreicht.

Den Abschluss der Aufsatzsammlung bildet Friedrich Wolfzettels Beitrag zu Boccaccios Corbaccio, einem Werk, das zwar ausgesprochen misogyn ist, aber trotz seiner oder gerade wegen seiner Polemik den Übergang vom Mittelalter zum Humanismus markiere. Es handele sich um "eine Art Autopolemik," in der es darum gehe "die eigene Vergangenheit zu widerrufen und mittels dantesker Intertextualitätssignale eine neue Richtung einzuschlagen, eben mit dem Ziel des bei Dante vorgegebenen 'riscatto morale'" (344). Durch die Nachahmung der äußeren Struktur der Divina Commedia im Kleinen privatisiere und säkularisiere er die geistliche Vision und erziele somit eine "psychologische, vernunftbegleitete und radikal individuelle Interpretation des Weges vom Inferno zum Paradiso bzw. zu einer anderen Art des paradiso terrestre" (355).

Wie aus der Präsentation der sechzehn Beiträge ersichtlich, deckt die vorliegende Aufsatzsammlung ein breites Spektrum ab. Es werden nicht nur Werke unterschiedlicher Gattungen und Schreibweisen, sondern auch unterschiedlicher Literaturen im Hinblick auf ihr agonales Potential untersucht, so dass sich für den interessierten Leser ein abgerundetes Gesamtbild des Untersuchungsgegenstandes ergibt. Alle Aufsätze zeugen nicht nur von profunder Sachkenntnis ihrer Autoren, sondern sie regen dazu an, auch andere Texte auf Agonalität und (intertextuelle) Polemik zu überprüfen. Die beiden Herausgeber haben eine gute Wahl getroffen.