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13.10.23, Geuenich & Lieven, eds., Das St. Viktor-Stift Xanten

13.10.23, Geuenich & Lieven, eds., Das St. Viktor-Stift Xanten


Im Jahre 2009 fand in Xanten eine Tagung über Geschichte und Kultur des St. Viktor-Stiftes im Mittelalter statt. Vorausgegangen sind dieser Tagung verschiedene umfangreiche Forschungsarbeiten zu Xanten, so 2008 der Band über Xanten und sein Umland in römischer Zeit (638 S.), 2007 Xanten im späten Mittelalter (669 S.) und 2003 Xanten im frühen und hohen Mittelalter (645 S.) sowie ebenfalls 2003 über die Ausgrabungen unter St. Viktor zu Xanten (524 S., 161 S. Beilage). [1] Vom Spätmittelalter bis zum 19. Jahrhundert klafft eine Lücke, die angesichts der Quellenlage ein ergiebiges und bisher noch weitgehend unbeackertes Forschungsfeld darstellt.

Der hier zu besprechende 270 S. umfassende Band befasst sich wieder mit dem mittelalterlichen Xanten und greift einzelne Aspekte der vorherigen Forschungen auf, allerdings ohne Einbeziehung der in den letzten Jahren in Erscheinung getretenen Xanten-Forscher. Dafür findet sich eine Mischung aus historisch und kunsthistorisch ausgerichteten Beiträgen, in denen die Kanonikergemeinschaft selbst thematisiert werden soll, was jedoch in der älteren wie jüngeren Forschungsliteratur ebenfalls bereits intensiv der Fall war. Die vorangegangenen Arbeiten haben diese Stiftsgeschichte und das sie ausformende Handeln der Kanoniker sowie ihres geistlichen Herrn, des Erzbischofs von Köln, in einen größeren Kontext von landes- und reichsgeschichtlichen Bezügen eingebettet und auch die Beziehungen zu den Päpsten und nach Rom bzw. Avignon nicht aus dem Blick verloren. Nun soll die Aufmerksamkeit primär "Kunstobjekten und einzelnen Zeugnissen der Vergangenheit" gelten (9), die jeweils für sich stehend erneut aufgegriffen werden.

Zunächst versucht Edeltraud Balzer (17-58) die Identität von Imiza zu klären--einer herausragenden Wohltäterin des Stifts, deren Totenmahl dort ebenso wie jenes des Erzbischofs Anno außerordentlich aufwändig begangen wurde. Ihre Lebenszeit auf das 10. Jahrhundert einzugrenzen und sie damit in einen ottonischen Kontext zu stellen, gelingt dabei nur, wenn man den spärlichen Aussagen der zu diesem Themenkomplex vorhandenen mittelalterlichen Quellen, die Imiza im 11. Jahrhundert verorten und sie mit einer Reginmuod/Richmoet gleichsetzen, keine nennenswerte Bedeutung beimisst. Diese historischen Nachrichten, welche zugleich die einzigen sind, die wir über Imiza besitzen, werden damit sozusagen korrigiert--möglicherweise ein fruchtbarer Ansatz, der so noch nicht gewählt und auf Irrtum und Missverständnisse der in der Tat etwas verschlungenen Überlieferung setzt.

Anna Pawlik (59-80) beschäftigt sich in einem kunst- und liturgiegeschichtlichen Beitrag mit der Xantener tabula aurea und deren ikonographischen Ausgestaltung. Dieser Schwerpunktsetzung ist möglicherweise der bedauerliche Umstand geschuldet, dass sie bei der durch die bisherige Forschung unternommenen historischen Einordnung fälschlicherweise annimmt, diese habe durchgehend die Goldene Tafel ausschlieölich mit der Schlacht bei Birten in Verbindung gebracht und die Stiftung durch Erzbischof Brun darüber vernachlässigt. Das ist nun nicht der Fall, denn auf den hierfür relevanten (und leider nicht rezipierten) Seiten der Forschungsliteratur findet sich der eindeutige Bezug zu Bruns Person, dessen Testament sowie zu dem Gedenken der Xantener Kanoniker speziell an ihn und seinen Nachfolger Folkmar. [2] Wenn hier als diesbezügliche Erkenntnis nur auf Jens Lieven rekurriert wird, ist dessen Erkenntnis zumindest diesbezüglich nicht neu.

Der Beitrag von Caroline Horch (81-96) stellt den Wert von Totenbüchern/Necrologien als historische Quelle erneut in den Mittelpunkt. Sie verweist dabei auf deren bisherige intensive Nutzung in den o.g. Forschungsarbeiten und ermuntert auch weitere Forschergenerationen, sich mit dieser mitunter als "spröde Quellengattung" angesehenen Überlieferung weiter auseinander zu setzen.

Jens Lieven (97-132) beschäftigt sich mit dem Codex Monasteriensis, einer von der bisherigen Xanten-Forschung vergleichsweise intensiv bearbeiteten Handschrift, deren Herzstück mit Blick auf die Xantener Kanonikergemeinschaft und ihre Memoria bereits 1958 von Friedrich Wilhelm Oediger in vorbildlicher Gründlichkeit ediert wurde. Im Mittelpunkt der Betrachtung stehen nun mit der Institutio canonicorum, dem Constitutum Constantini und dem Praeceptum der Augustinerregel allgemeinere Teile der als Abschrift angefertigten Handschrift. Wenn hier betont wird, dass diese bisher unediert gebliebenen Teile erstmals intensive Betrachtung erhalten bzw. sogar einer "genauen Autopsie" unterzogen worden sind (Anm. 15), verwundert es hingegen, dass die (in Anm. 13) angekündigte (und bisher nicht weiter zu verifizierende) Neu-Edition sich dann doch nur auf die bereits von Oediger edierten Kernstücke konzentrieren soll. Eine Edition der unedierten Teile wäre vielleicht eine Bereicherung gewesen, wenngleich gerade diese abschriftlichen Texte im Gegensatz zum bereits edierten Necrolog mehrfach überliefert sind und nur Letzteres Xanten speziell betrifft.

Michael Oberweis (133-151) setzt sich in seinen Beitrag mit den Gebetsverbrüderungen sowie insbesondere mit den aus seiner Sicht unerklärlichen Versäumnissen und einer fehlerhaften Regesterstellung der sich um die Edition Xantener Quellen sehr verdient gemachten Forscher Friedrich Wilhelm Oediger und Peter Weiler auseinander. So wird beispielsweise die ausgebliebene Überprüfung einer Kölner Parallelversion der von Oediger als "Gebetsverbrüderungsvertrag von Xanten" benannten Quelle beklagt, was heute nach dem Einsturz des Kölner Stadtarchivs nicht mehr möglich sei. Gleichwohl konnte Oediger den Eintritt einer solchen Katastrophe in den 50er Jahren nicht vorhersehen und setzte sicherlich auch auf ihm nachfolgende Forschergenerationen, die von der Xantener Überlieferung inspiriert die komplementäre Kölner Überlieferung aufarbeiten würden. Die Sichtung der betreffenden Kölner Kopialüberlieferung, die allerdings nicht weiter als bis ins 17. Jahrhundert zurückreicht und von der Kopien über Diplomingenieur Tittel aus Schermbeck zu Michael Oberweis gelangt sind, ergibt in Bezug auf die Datierung der Xantener Version durch Oediger nichts wesentlich Neues. Es bleibt wohl bei der Entstehungszeit des von Oediger als Gebetsverbrüderungsvertrag von Xanten bezeichneten Dokuments zu Zeiten sowohl des Chorbischofs Hildebert (834-862) als auch König Lothars II. (855-869). Nach Oberweis handelt es sich bei der Xantener Quelle um die Abschrift eines früheren, wohl zur Zeit Kaiser Lothars I. (840-855) entstandenen Kölner Dokuments durch die Xantener Kanonikergemeinschaft, die möglicherweise erst im späteren 9. Jahrhundert erfolgt ist, was zwar nicht ausgeschlossen, aber auch nicht konkret zu belegen ist.

Dieter Scheler (153-168) beschäftigt sich in seinem Beitrag mit dem Verfasser des Liber ordinarius und des Registrum redituum et pensionum, den er in der Person des Xantener Kanonikers Hermann Kric (Grecus) sieht. Er leitet seinen Text mit der Feststellung ein, man hätte ihm "frei nach Pirandello auch den Untertitel geben können: 'Zwei Texte finden ihren Autor'" (153). Es mag sein, dass die Editoren der von ihm herangezogenen Quellen-Texte ihren Fokus nicht auf die Urheberschaft durch ein und dieselbe Person gelegt haben, am bisher angenommenen Entstehungszeitraum der Quellen ändert dies nichts. Interessant ist aber der gesamte Kontext der Stiftsgeschichte, in den die Festlegung auf Hermann Kric, welcher seit 1264 Kanoniker von Xanten und seit 1397 auch dessen Scholaster war, den Leser führt. So hatten im Jahre 1291 Dekan Rainer und das Kapitel die Pflichten des Scholasteramtes festgelegt, der seitdem seinen Sitz neben dem Stuhl des Propstes hatte und u.a. anderem in Fragen der Disziplin quasi als Haupt des Kapitels fungierte (erit ipse quasi os capituli). Insgesamt befand sich das Kapitel zwischen 1291 und 1296 in einer Umbruchphase, denn nach und nach lassen sich bereits unter Propst Heinrich von Klingenberg Veränderungen beobachten, die nach seinem Weggang im Jahre 1291 zu einer Umstrukturierung in der Güterverwaltung innerhalb des Stifts führten. Sie gipfelten schlieölich 1296 in der endgültigen Vermögenstrennung zwischen dem Propst und dem Kapitel, welches dadurch die Anerkennung als eigene juristische Person erhielt und zum eigentlichen Groögrundbesitzer wurde. Das in diesem Zusammenhang entstandene Schriftgut, u.a. das groöe Kellnereiurbar sowie das hier in behandelte Redituum stehen in diesem Kontext, zumal Letzteres aus der Feder des kurz zuvor erst aufgewerteten Scholasters stammt. Der gesamte Themenkomplex mit der Einordnung des ihn bedingenden Schriftgutes einschlieölich des Liber praesentiarum ist zuletzt ausführlich aufgearbeitet worden, [3] so dass die Entstehungsgründe nicht allein in der Person des Scholasters oder wenig konkretisierbaren Veränderungen in der Wirtschaftsführung des Stiftes wie z.B. der schon früher einsetzenden Auflösung des gemeinsamen Tisches gesucht werden müssen, sondern die Bezüge nach den Ergebnissen der letzten Jahre klar auf der Hand liegen. Ebenso offenkundig sind die Zusammenhänge mit Blick auf den Liber ordinarius. Der gotische Neubau der Xantener Stiftskirche konnte auch die liturgischen Abläufe nicht gänzlich unberührt lassen, so dass eine Verschriftlichung im Liber ordinarius durch einen Kanoniker, dem die Abläufe seit 1264, also dem Zeitraum des Baubeginns nach der Grundsteinlegung 1263, bestens vertraut waren, nur konsequent erscheint. Auch darauf hat die neuere, hier leider nicht rezipierte Forschung hingewiesen.

Bert Thissens (169-199) Untersuchungsgegenstand ist das Viktorstift als Grundherr, wenngleich der volle Titel "Die Präsenz des St. Viktor-Stiftes als Grundherr im Rhein-Maasgebiet im Spätmittelalter" insofern etwas unglücklich gewählt scheint, als man zunächst denken könnte, der Beitrag bezöge sich auf die Präsenz des Stiftes im dem Sinne, als um 1300 die Präsenz und der Liber praesentiarum als Quelle dieser stiftsinternen Institution in Erscheinung treten. Gemeint ist aber das gesamte Hineinwirken des Stiftes in sein geographisches Umfeld, also sozusagen seine grundherrschaftliche "Anwesenheit." Thissen verarbeitet die bisherige Forschung detailliert und versucht daraus, am Beispiel Xantens ein Bild über die spätmittelalterliche Ausprägung von Grundherrschaft gegenüber bisher gut untersuchten frühmittelalterlichen Grundherrschaften an anderen Orten herauszuarbeiten. Eine Einbeziehung der in Offizien eingeteilten Güterkomplexe wäre wünschenswert gewesen, zumal diese am Beispiel des Offiziums Weeze in jüngerer Zeit thematisiert wurden. Ebenso wäre der Aspekt einfach zu klären gewesen, warum das Stift sich in Fragen des Deichwesens im 14. Jahrhundert zunächst sehr zurückhaltend verhielt, in der zweiten Hälfte desselben aber "wohl ein neues Prinzip eingeführt worden" war (196). Diese Entwicklung liegt ganz offensichtlich an Erfahrungen auf diesem Gebiet, die wiederum auf ein in der Forschung herausgearbeitetes Jahrtausendhochwasser des Jahres 1342 zurückgehen. Die festgestellte Veränderung sowohl der stiftischen Verpachtungspraxis just in diesem Zeitraum als auch gleichzeitig seiner Rolle im Deichwesen ist in ganz wesentlichem Maöe auf diese Zusammenhänge zurückzuführen. [4] Gleichwohl ist der Beitrag von Bert Thissen trotz seiner eigentlich recht spröden Thematik kurzweilig zu lesen.

Katharina Hülscher (201-219) befasst sich in ihrem Aufsatz eingehend mit dem Xantener Statutenbuch, das in der Zeit des Dekans Arnold Heymerick entstanden ist. Genauer gesagt sind sowohl das in den 60er Jahren des 15. Jahrhunderts von ihm verfasste Statutenwerk als auch der eigentliche Liber statutorum ecclesie Xanctensis, vollendet um 1490, ein Jahr vor dem Tod des Dekans, Gegenstand ihrer vergleichenden Studie. Als Resultat ihrer Analyse sind die vielfältigen gravierenden Missstände innerhalb des Stifts und der demgegenüber beklagte Machtverfall des Dekans, als Antrieb zur Abfassung beider Werke zu verstehen. Beide begründende Phänomene sind von der Literatur bereits herausgearbeitet worden, was die Verfasserin auch sorgfältig in ihre Ausführungen einbezogen hat. Anlage und Konzeption der Statuten werden hier aber in diese Zusammenhänge überzeugend eingebettet. Sicherlich hat auch die Lage des Stiftes zwischen den beiden konträren Interessensphären des Erzbischofs von Köln und dem Klever Herzog, welche gerade in den 40er Jahren aufeinanderprallten, mit diesem Themenkomplex zu tun. Die Diskussion um die Exemtion der klevischen Länder und die gesamte Machtfrage im Xantener Raum wirkte in der Folge noch bis weit in die nächsten Jahrzehnte hinein und dürfte einem weiteren Verfall von Disziplin und Ordnung im Stift Vorschub geleistet haben, waren doch die Einflüsse beider Seiten (des Erzbischofs von Köln und des Klever Herzogs) im Stift gegenwärtig und dürften nicht gerade zur Einheit unter den Kanonikern oder zum Gehorsam gegenüber einer der beiden Seiten zuneigenden Führungspersönlichkeit beigetragen haben.

Gerade diesem Themenkomplex wendet sich auch Frank Engel (257-270) zu, freilich ohne die Aufarbeitung der beschriebenen Zusammenhänge zwischen Exemtion der klevischen Länder, dem groöen abendländischen Schisma und der für Xanten geplanten Bistumsgründung als bekannt zu erwähnen. Wenn er zudem--wie die bisherige Forschung übrigens auch--feststellt, dass es in der Exemtionsphase weiterhin Kontakte zwischen dem Stift und dem Kölner Erzbischof gegeben habe, dann entspricht dies der zu erwartenden Gemengelage von Interessen innerhalb des Stifts, in dem Interessenvertreter beider Seiten, sowohl des Erzbischofs als auch des Klever Herzogs als Kanoniker vertreten waren. Gleichwohl kann dies nicht die Eindeutigkeit der Bulle Papst Eugens vom 10. Juli 1445 relativieren, die explizit davon spricht, "dass sämtliche Personen und Körper von allen und jeglichen Bündnissen, welche sie unter sich und mit den Kölner Kapiteln beschworen hatten, dass sie unter allen Umständen dem Erzbischof treu bleiben wollten, entbunden werden und alle Censuren, welche gegnerischerseits über das Clevische Land verhängt werden möchten, für null und nichtig erklärt werden." [5] Für die offiziellen Machtbefugnisse des Erzbischofs im Klevischen und auch im Xantener Stift war dies ein nicht relativierbarer Einschnitt, auch wenn seine Parteigänger ihre Pfründen im Xantener Stift und damit auch die Kontakte zu ihm behielten. Schlieölich wurde der Kölner Erzbischof gemeinsam mit dem von Trier im Januar 1446 vom selben Papst gar abgesetzt, ein Zustand, welcher allerdings nur kurz währte, denn bereits ein Jahr später versprach derselbe Papst, beide Erzbischöfe wieder in ihre Ämter einzusetzen, was binnen Jahresfrist durch seinen Nachfolger auch geschah.

Susanne Ruf (237-256) greift schlieölich die Gemälde des Hochaltars auf, welche im 16. Jahrhundert von Bartholomaeus Bruyn gemalt wurden und jene des Jodokus von 1437 ersetzten. Sie deutet diese Bilder, welche nach Fertigstellung der gotischen Stiftskirche entstanden, in historischer, politischer, sozialer und theologischer Dimension aus. Dabei interpretiert sie die Abbildung der Stiftskirche im Bauzustand des 16. Jahrhunderts als Ausdruck eines politischen Anspruchs des Stifts, welches nach einer Phase des Baustillstands seit 1437 in einer zweiten Bauphase ab 1483 die Fertigstellung dieses Bauwerks in politisch bewegten Zeiten zwischen Köln und Kleve bewerkstelligte. Der erwähnte Bauzustand von 1437 findet sich auf dem in Abb. 11 ebenfalls gezeigten Agatha-Altar. Ab 1483 folgte dann der Bau der westlichen Hälfte der nördlichen Seitenschiffe, ab 1492 derjenige der südlichen Seitenschiffe und ab 1507 schlieölich die Errichtung der vier Joche des Mittelschiffs. All jene Entwicklungsstufen zeigt der Agatha-Altar nicht; erst der Hochaltar aus der Zeit von 1529-1543 bildet die fertiggestellte Stiftskirche ab, deren Silhouette noch 1529 durch eine Angleichung des nördlichen Turmes an den südlichen den letzten Schliff erhielt.

Der im Bereich der Literaturgeschichte des Rhein-Maas-Raumes ausgewiesene Mediävist Helmut Tervooren (221-236) richtet den Blick auf die Stiftsbibliothek und hält zugleich ein Plädoyer dafür, auf der Basis der vorliegenden Vorarbeiten von Anita Benger und Hildegard Föhl eine Rekonstruktion der aus unterschiedlichen Provenienzen zusammengetragenen Bibliothek vorzunehmen. Es sei "eine reizvolle Aufgabe, alte Bibliotheken zumindest in Ansätzen zu rekonstruieren," denn sie kann helfen "die wechselnden Besitzverhältnisse der Bücher vom Produzenten bis zum letzten Besitzer zu klären" (223f). Gerade die verwirrenden Wege und Pfade, auf denen die Bücher wie auch im Falle von Xanten in bestimmte Bibliotheken gelangt sind, verdienen das Interesse eines jeden Forschers, der sich mit dieser reichhaltigen Überlieferung beschäftigt. Dass hier durchaus Schätze zu heben sind, zeigt beispielsweise der Hinweis auf den Troja-Stoff, der auch in der Xantener Bibliothek seinen Niederschlag gefunden hat--dies sicher aus gutem Grund, wie die Forschung der letzten Jahre bezüglich der Aneignung des Stoffes im Zusammenhang mit Xanten zeigen konnte.

Zusammenfassend bleibt festzuhalten, dass dieser Band einzelne Quellen oder Kunstwerke aufgreift, die von Vertretern unterschiedlicher Forschungsdisziplinen in den jeweiligen Blick genommen werden. Dies bedingt einerseits eine sehr facettenreiche Sammlung von Beiträgen, die durchaus abwechslungsreich und gut zu lesen ist, andererseits lässt die diesem Konzept anhaftende Diversität das eine oder andere Mal die historische Einordnung vermissen, was bei Ausblendung des neueren Forschungsdiskurses dazu führen kann, dass Schlüsse nicht oder gar falsch gezogen werden. Der kleinen Stiftsstadt am Niederrhein mit ihrer einst groöen Geschichte, wäre nun eine Aufarbeitung der auch zur Frühen Neuzeit reichlich sprudelnden Quellen zu wünschen, zumal Dieter Kastner in den letzten Jahren mit seiner Erschlieöung der urkundlichen Überlieferung bis nunmehr 1609 eine hervorragende Grundlage für weiterführende Forschungen im Sinne der bisher vorgelegten groöen Darstellungen über Antike, Früh-, Hoch-, und Spätmittelalter vorgelegt hat. [6]

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Notes:

1. Martin Müller, Hans-Joachim Schalles, Norbert Zieling (Hrsg.), Colonia Ulpia Traiana. Xanten und sein Umland in römischer Zeit, Xantener Berichte, Sonderband / Geschichte der Stadt Xanten 1 (Mainz: Philipp von Zabern, 2008); Heike Hawicks, Xanten im späten Mittelalter. Stift und Stadt im Spannungsfeld zwischen Köln und Kleve, Rheinisches Archiv 150 / Geschichte der Stadt Xanten 3 (Köln / Weimar / Wien: Böhlau, 2007); Ingo Runde, Xanten im frühen und hohen Mittelalter. Sagentradition--Stiftsgeschichte-- Stadtwerdung, Rheinisches Archiv 147 / Geschichte der Stadt Xanten 2 (Köln / Weimar / Wien: Böhlau, 2003); Thomas Otten, Die Ausgrabungen unter St. Viktor zu Xanten--Dom und Immunität, Rheinische Ausgrabungen 53 (Mainz: Philipp von Zabern, 2003).

2. Vgl. z.B. Runde, Xanten im frühen und hohen Mittelalter, 327f.

3. Hawicks, Xanten im späten Mittelalter, 143-165.

4. Ibid., 276ff.

5. Ibid., 522.

6. Dieter Kastner (Bearb.), Die Urkunden des Stiftsarchivs Xanten. Regesten, Band II: 1450-1490, Inventare nichtstaatlicher Archive 48 (Bonn: Rudolf Habelt, 2006); Band III: 1491-1541, Inventare nichtstaatlicher Archive 49 (Bonn: Rudolf Habelt, 2007); Band IV: 1542-1609, Inventare nichtstaatlicher Archive 53 (Bonn: Rudolf Habelt, 2013).