A. Anca, "Der Patriarch als Vermittler" (1-13) M. Grünbart, "Das Zünglein an der Waage? Zur politischen Funktion des Patriarchen in Byzanz: Der Fall des Theodosios Boradiotes" (15-29) E.-D. Hehl, "Sonne und Mond im Westen? Das Papsttum und das westliche Kaisertum" (31-51) R.-J. Lilie, "Legibus solutus? Kaiser und Patriarch im Konfliktfall" (53-64) M. Loukaki, "L'image litteraire du patriarche de Constantinople chez les rheteurs byzantins" (65-78) E. Mitsiou, "Interaktion zwischen Kaiser und Patriarch im Spiegel des Patriarchatsregisters von Konstantinopel" (79-96) L. Rickelt, "Die Exkommunikation Michaels VIII. Palaiologos durch den Patriarchen Arsenios" (97-125) M. L.D. Riedel, "The Sacrality of a Sovereign: Leo VI and Politics in Middle Byzantium" (127-135) K.-P. Todt, "Zwischen Kaiser und ökumenischem Patriarchen: Die Rolle der griechisch-orthodoxen Patriarchen von Antiocheia in den politischen und kirchlichen Auseinandersetzungen des 11-13 Jh. in Byzanz" (137-176) M. M. Vucetic, "Eskalierende Konflikte. Gewalt byzantinischer Kaiser gegen konstantinopolitanische Patriarchen im achten Jahrhundert" (177-207)
Der vorliegende erste Band einer Tagung unter dem Thema Kaiser und Patriarch in Konstantinopel behandelt zahlreiche Fragen zum Verhältnis zwischen den beiden Institutionen. Dieser Band sowie der in Kürze erscheinende zweite Teil befassen sich vorwiegend mit Einzelfragen bzw. einer bestimmten Zeitspanne der byzantinischen Geschichte. Aufsätze die sich in einem breiteren Rahmen mit dieser Forschungsthematik auseinandersetzten fehlen leider fast ganz. Ebenso werden die Themenfelder Recht, Liturgie-Zeremoniell, Heiligenkult, Propaganda und Literatur nur im Beitrag von M. Loukaki untersucht, sonst allenfalls am Rande berücksichtigt. Es entsteht der Eindruck, dass die Autoren gebeten wurden das Thema Patriarch-Kaiser in einem beschränkten Rahmen aus ihrem jeweiligen Forschungsgebiet heraus zu beleuchten. So bringt diese Publikation eine ganze Reihe von Beiträgen hervor, deren Themen ansonsten eher am Rande behandelt werden, hier aber neue Aspekte für das historische Verständnis aufzeigen.
Diese Beschränkung wirkt sich leider auch negativ in einer ganzen Reihe von Beiträgen aus, in denen die Sicht eines Rechthistorikers oder Kanonisten nützlich gewesen wäre. Die Engführung auf die faktische Geschichte und die Vernachlässigung des kanonischen Rechts bzw. des kirchlichen Brauches kann Missverständnisse hervorrufen. So ist zum Beispiel die Bemerkung von Lilie die Kaisertochter Theodora habe vielleicht keine "Profess" abgelegt missverständlich (60). Dieser Sprachgebrauch impliziert eine rechtlich notwendige, einmalige, eindeutige Willensäußerung eines Kandidaten bei der Mönchs- bzw. Nonnenwerdung. Dieses ist für Byzanz im 10. Jh. liturgisch und kirchenrechtlich nicht nachzuweisen; ebenso wenig für den lateinischen Westen vor dem 14. Jh. Ebenso missverständlich ist die Behauptung von Vucetic der Patriarch Konstantinos II. habe Kaiserkinder "aus der Taufe gehoben" (193). Dieser Begriff beschreibt normalerweise das Patenamt. Der Patriarch durfte diese Funktion aber nicht ausüben, da er Mönch war. Dieses Missverständnis klärt sich erst durch einen Blick in die Quelle und die Sekundärliteratur auf. Patriarch Konstantinos war der Täufer eines oder mehrerer Kaiserkinder. Gerade diese Taufen waren problematisch. Wie schon mehrfach ausführlich untersucht, musste Kaiser Konstantinos V. die Kinder aus seiner dritten Ehe selbst "aus der Taufe heben," da sich niemand sonst dazu bereit fand.
Inhaltlich konzentrieren sich die Beiträge auf die mittelbyzantinische Epoche, die Zeit zwischen dem 8. und 13. Jahrhundert. Der Beitrag von M. Riedel beschränkt sich fast ausschließlich darauf das Taktikons Leon VI. auszuwerten, was mit dem Patriarchen von Konstantinopel jedoch ziemlich wenig zu tun hat.
Der Beitrag von K.-P. Todt zu den Patriarchen von Antiochia behandelt umfassend das Verhältnis zwischen den Patriarchen dieser Metropole und dem Kaiser bzw. dem Patriarchen von Konstantinopel in der Zeit vom 7-15 Jh. Besonders die Designation und die Weihe der Patriarchen von Antiochia werden untersucht. Es wird hier zum ersten Mal eine Darstellung Entwicklung durch die gesamte byzantinische Epoche hindurch vorgenommen.
Kritik ruft beim Rezensenten vielfach die Arbeit mit dem Quellen hervor. Die Beiträge von Rickelt und Vucetic beruhen im Wesentlichen auf den Geschichtswerken des Georgios Pachymeres und des Theophanes Homologetes. Beide Geschichtsschreiber waren in der historischen Darstellung des jeweils untersuchten Zeitraumes persönlich stark engagiert. Die Verfasser der betreffenden Artikel folgen ganz wesentlich den Darstellungen "ihrer" Quellen und berücksichtigen nicht, inwieweit diese Nachrichten verzerrt sein können. So folgt Vucetic der Darstellung des Theophanes, wonach der ehemalige Patriarch Konstantinos II. (741-776) auf Befehl Kaiser Konstantinos V. in der Hagia Sophia angeklagt und misshandelt und schließlich außerhalb gefoltert und hingerichtet worden sei (199-205). Dass dies gegen die Kanones und das weltliche Recht verstößt, die den Kirchenraum vor Gewaltanwendung jeder Art schützten, wird nicht thematisiert. Ebenso wenig wird hinterfragt, ob sich Körperstrafen oder die Hinrichtung eines Klerikers überhaupt mit den byzantinischen Rechtsnormen in Einklang bringen lassen. Andere widerspenstige Patriarchen wurden, wie Vucetic zu Recht bemerkt (183f.), nur verbannt. Die beiden in diesem Aufsatz behandelten Kaiser--Justinian II. und Konstantinos V.--wurden von Theophanes grundsätzlich extrem negativ dargestellt: Quellenkritische Überlegungen wären hier am Platz gewesen.
Im vorliegenden Band sind eine ganze Reihe von interessanten Einzelheiten zu finden. Die Beobachtung von Rickelt Patriarch Arsenios (1254-1260/1261-1265) habe sich eventuell an päpstlichen Mustern für symbolisch-repräsentativen Handlungen bedient (118-125) ist eine erstaunliche, aber von Rickelt gut belegte Möglichkeit. Von hohem Interesse ist auch, wie Todt die Absetzung des jakobitischen Patriarchen Johannes VIII (1029) darstellt (157-159). In dieser Auseinandersetzung ergriff der melkitische Patriarch von Antiochia, die Partei seines jakobitischen Amtsbruders, gegen den byzantinischen Kaiser und den Patriarchen von Konstantinopel. Dies verdeutlicht, dass vieles vor Ort anders praktiziert wurde, als es durch die Normen festgeschrieben war und von vielen Gesichtsschreibern behauptet wurde.
Insgesamt ist aus diesem Sammelband abzuleiten, dass das Verhältnis zwischen dem Patriarchen von Konstantinopel und dem byzantinischen Kaiser immer Schwankungen unterworfen war und meist pragmatisch gehandhabt wurde. In vielen Beiträgen werden aber auch die Grenzen dieses Verhaltensmusters beschrieben.
Ein großes Manko dieses Sammelbandes ist der uneinheitliche Umgang mit den Quellen und der Sekundärliteratur. Während sich z. B. der Beitrag von Ralph Lilie in weiteren Bereichen darauf beschränkt, die entsprechenden Lemmata des Prospographischen Lexikons der mittelbyzantinischen Zeit anzuführen, werden im Überblick von Todt dieses Werk und das Prosopographische Lexikon der Palaiologenzeit gar nicht angeführt. Beides verwirrt den Benutzer, vor allem wenn er mit den jeweiligen Quellen und der Literatur weniger vertraut ist, aber die Ergebnisse nachvollziehen will. Nützlich wäre es gewesen, die mehrfach zitierten Werke übersichtlicher anzugeben. Zum Teil muss der Leser beim Nachvollziehen der Angaben umständlich, mehrfach blättern und suchen. Ein Abkürzungsverzeichnis, wie es sich beim Beitrag von Mitsiou findet (79), wäre auch für die anderen Aufsätze von erheblichem Vorteil den Benutzer.